Wenn sich Neurobiologen mit „weichen“ Themen wie Kommunikation, Lernen oder ganz einfach unserer Daseinsweise in der Welt beschäftigen, dann zucke ich manchmal innerlich zusammen. Sehe schon die Elektroden aus den Köpfen ragen und denke mir: „Was wollen die denn noch alles vermessen? Wie sollte man jemals die unmessbaren Weiten der Seele mit Zahlen, elektrischen Strömen und Reaktionszeiten beschreiben können? Das ist gleichsam so, als wollte man einen schönen Tag mit Luftdruck, Menge des Niederschlags und Sonnenscheindauer beschreiben wollen.“ Doch all das ist zu kurz gedacht. Ich erliege da meinem eigenen Vorurteil. Der Neurobiologe Prof. Dr. Gerald Hüther ist nicht nur jemand, der seine Forschungsergebnisse anschaulich darstellen kann. Er schlägt für mich auch eine Brücke zwischen den Welten, indem er seine Überlegungen für Lehrsituationen nutzbar macht. Kurz gesagt, zwei seiner vielen Thesen sind:
1. Wir lernen nur das, was wir selbst lernen.
2. Wir lernen intensiv, nachhaltig und ohne Mühe, wenn wir mit Begeisterung lernen.
Denken Sie doch einmal an das letzte Training oder das letzte Seminar, das Sie besucht haben. Wie viel der Inhalte wurden „von Vorne“ durch den Dozenten an Sie heran transportiert und wie viel mussten Sie sich im Gegensatz dazu selbst erarbeiten? Überlegen Sie noch weiter, mit wie viel Begeisterung sie bei der Veranstaltung dabei waren.
Es ist eine hohe Kunst, Lernsituationen jederzeit so zu gestalten, dass sie Raum für das Lernen lassen und viel Begeisterung wecken. Diesen hohen Anspruch kann man sicher nicht immer einlösen. Aber es ist zumindest schon leichter, auf das Eintrichtern zu verzichten und Inhalte anregend zu gestalten. Ich versuche mir immer vorzustellen, ob ich meine eigene Lehrveranstaltung oder mein geplantes Training selber gern besuchen würde. Die Antwort muss definitiv: „Au ja“ lauten! Gleichzeitig ist das auch ein Statement gegen jede pauschale Trainingslösung. Ein fertiges Trainingskonzept lässt sich natürlich besser verkaufen, man kann Lernerfahrungen auch bis zu einem gewissen Grad planen. Aber nur, indem man die Inhalte so individuell wie möglich an die Erfahrungen seiner Teilnehmer anpasst – nicht indem man nach Methode X alle gleich behandelt. Das klingt vielleicht banal. Aber bedenken Sie noch einmal, wie viel Zeit Ihres Lebens jemand versucht hat Ihnen etwas beizubringen, dass nicht relevant für Sie war und Sie entsprechend wenig begeistert hat. Wie viel der Inhalte wissen Sie noch?
Wer Prof. Hüther in der vollen Länge seiner Ausführungen folgen will, hier eines meiner Lieblingsvideos:
Wie Lernen am besten gelingt
Seine Internetseite mit vielen Materialien findet man hier: http://www.gerald-huether.de/